Die Luxemburgerin Anna Leader hat beim „Concours littéraire national 2018“ den mit 2.000 Euro dotierten ersten Preis in der Kategorie „Junge Autoren 15-25 Jahre“ gewonnen. Mit ihrem Theaterstück „Outlast“, das gleichzeitig auch ihr erster Versuch war, ein solches Stück zu schreiben, konnte Anna die Jury (Simone Beck, Anne Legill, Carole Lorang, Marc Rettel und Pascal Seil) beeindrucken. Diese schreibt in ihrer Begründung: „Ein entschlossen moderner literarischer Stil, ein spielerischer, aber tiefer Ansatz machen „Outlast“ zu einem jungen und dynamischen Drama.“
Charmanter und bizarrer Mythos
Wie uns Anna Leader im Gespräch erklärt, wollte sie ein Paradoxon erforschen, das ihrer Meinung nach im Herzen des Landes liegt: „Unsere unglaublich beeindruckende Lebensqualität beruht auf einigen weniger wunderbaren Finanzpraktiken und einem hohen Maß an Energieverbrauch und Umweltverschmutzung. Als Ausgangsmaterial entschied ich mich für den charmanten und bizarren Gründungsmythos Luxemburgs, in dem ein Prinz Melusina heiratet, eine schöne Frau, die flieht, sobald ihr neuer Mann entdeckt, dass sie sich für einen Tag pro Woche in eine Meerjungfrau verwandelt. Monatelang arbeitete ich an einem Gedicht über Melusinas Beziehungen zu ihrem Mann, ihrer entfremdeten Mutter und dem kleinen grünen Land, das sie mitbegründet hat. Ich stellte mir vor, welche Perspektive ein unsterbliches Wesen haben würde – Tausende von Jahren Geschichte und Tausende von Jahren in der Zukunft, wenn es um die Fragen der Geschlechtergleichstellung, der wirtschaftlichen Stabilität und des Klimawandels geht.“
Im Mai nahm sie an einer Produktion von „Trash Mermaids“ teil, ein Stück, das von Miles Carey, einem Kommilitonen aus Princeton, geschrieben wurde, der das Motiv der Meerjungfrau verwendet, um Fragen des Geschlechts und der Umwelt anzusprechen. „Als ich ,Trash Mermaids‘ sah, legte es einen Schalter in meinem Gehirn um: Ich würde mein Melusina-Gedicht in ein Stück verwandeln. Nachdem ich Monate mit dem Gedicht verbracht hatte, schrieb ich das Stück in nur drei Wochen“, erzählt die junge Frau.
Melusina in der Zukunft
In Szenen, die zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wechseln, erzählt das Drehbuch die Geschichte von Melusina, die seit Jahrhunderten das Land regiert und jedes Mal, wenn ihr aktueller Partner stirbt, einen neuen menschlichen Mann heiratet. Mitte des 21. Jahrhunderts wird Melusinas Kontrolle über die Regierung durch die Unbeliebtheit ihrer fortschrittlichen Klima- und Energiepolitik bedroht. Sie kämpft darum, zwei Geheimnisse zu bewahren: den Schwanz ihres Meerjungfrauenkörpers, der immer öfter auftaucht, und ihre Liebe zu einer anderen Frau, die Melusina mehr als jeden anderen schockiert. Der Titel des Stückes bezieht sich sowohl auf ihre Unsterblichkeit als auch auf ihre enge Sexualität. „Outlast“ möchte die Entstehung und Entwicklung all dieser Themen erforschen, von der Gründung Luxemburgs im 10. Jahrhundert bis zur apokalyptischen Zukunft des Planeten. Es sei ein kurzes und ein schnell geschriebenes Stück, und es sei Annas Absicht, es neu zu schreiben und weiterzuentwickeln.
In den USA geboren, aufgewachsen in Luxemburg
Die 22-jährige wurde in den Vereinigten Staaten geboren, lebt aber seit ihrem dritten Lebensjahr in Luxemburg. Sie besuchte die „European School“ und danach die „International School of Luxembourg“. Sie studierte Komparatistik (Französisch, Deutsch und Englisch) an der „Princeton University“ in den USA, und arbeitet momentan für eine gemeinnützige Bildungseinrichtung in Washington D.C. „Mein Ziel ist es, Lehrerin zu werden, wie meine Eltern; ob ich in Europa oder Amerika unterrichten werde, bleibt abzuwarten“, sagt Anna.
„Literatur habe ich schon immer geliebt und schreibe Gedichte seit meinem fünften Lebensjahr, als mein erstes Stück in einer Kinderzeitschrift veröffentlicht wurde. Mein Vater schreibt Gedichte und Romane. Ihm verdanke ich am meisten: Wir haben unzählige Stunden damit verbracht, zusammen zu lesen und zu reden und zu schreiben, als ich ein Kind war; auch heute noch ist die Literatur eine ständige Quelle der Diskussion, und wir lesen und bearbeiten das Geschriebene des anderen.“
Dieser Artikel wurde vom Lëtzebuerger Journal veröffentlicht.
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