Dieser Artikel wurde für die luxemburgische Tageszeitung “Lëtzebuerger Journal” geschrieben. Die Rubrik “ZOOM” greift junge, alternative und unternehmerische Themen auf und bringt sie den Lesern näher. (Text in veränderter Form im Print)
Rollstuhlrennen stehen Athleten mit jeder qualifizierten Art von Behinderung, Amputation, Rückenmarksverletzungen, zerebraler Lähmung und Sehbehinderung (in Kombination mit einer anderen Behinderung) offen. Die Klassifizierung der Athleten erfolgt nach Art und Schwere ihrer Behinderung oder nach Kombinationen von Behinderungen. Wie beim Laufen kann es auf einer Strecke oder als Straßenrennen stattfinden. Die Hauptwettbewerbe finden bei den “Summer Paralympics” statt, an denen seit 1960 Rollstuhlfahren und Leichtathletik beteiligt sind. Die Teilnehmer konkurrieren in speziellen Rollstühlen, die es den Athleten ermöglichen, Geschwindigkeiten von 30 km/h oder mehr zu erreichen. Es ist eine der bekanntesten Formen der paralympischen Athletik.
Für die Luxemburgerin Katrin Kohl war der Sport trotzdem zunächst unbekannt. Bei einem Kennenlerntreffen in der städtischen “Coque” brachte ihr der inzwischen verstorbene Romain Fiegen (Vater der Luxemburger Sportlers David Fiegen) Rollstuhlrennfahren näher. Zu diesem Zeitpunkt kannte sie Rollstuhl-Basketball bereits: “Ich hätte damals nicht gedacht dass ich einmal eine Einzelsportart machen würde, doch als ich zum ersten mal diesen Rennrollstuhl benutzte wurde mir klar dass das etwas für mich sein würde.” Rennrollstühle sind weitaus leichter als konventionelle Rollstühle, und sind außerdem mit einem Vorderrad ausgestattet. “Man muss sich konstant immer nach vorne beugen um im Gleichgewicht zu bleiben, ansonsten plumpst man schnell hintenüber”, sagt Katrin lachend.
Bestzeiten über 100, 200 und 400 Meter und erste Wettkampferfahrungen über die Distanz von 800m sammelte die Athletin bei ihrer Teilnahme an den Schweizer Junioren-Meisterschaften in Arbon im Kanton Thurgau. Katrin Kohl absolvierte die 100m Distanz in 23,31s; die 200m in 42,67s und die Stadionrunde in 1:24,21 min. Für die 800m Distanz wurde vor Ort nachgemeldet und Katrin Kohl absolvierte diese Distanz erstmalig in 2:56,61 min.
Die junge Sportlerin trainiert regelmäßig in Saarbrücken, mit wöchentlichem Rennrollstuhl-Training, Spinning und Muskelaufbau. “Meine Familie hat bereits schlechtes Gewissen, da ich mehr Sport treibe als sie”, sagt die humorvolle Athletin. Katrin hat seit ihrer Geburt mit “Spina bifida” zu schaffen. “Spina bifida” bedeutet “gespaltene Wirbelsäule”, eine angeborene Fehlbildung im Bereich der Wirbelsäule bzw. des Rückenmarks. Sie kann zwar gehen, doch längeres Stehen oder weiter als 200 Meter zu Fuß gehen würden sehr schmerzhaften Rückenschmerzen verursachen. Doch Katrin will ihre Behinderung nicht als Grund für eine eingeschränkte Lebensweise nutzen: “Ich wohne in Diekirch, und da fahren leider noch Züge nicht behindertengerecht sind. Ich kann natürlich bei der CFL anrufen damit die mir helfen, doch dann ich nicht wie alle anderen spontan einen Zug nehmen wann ich will da man das im voraus verabreden muss. Ich helfe mir dann lieber selbst.”
Seit den letzten Monaten ist Katrin auch politisch aktiv, seit Sie den Jungen Demokraten (JDL) beigetreten ist. “Für mich ist es wichtig dass Menschen mit einer Behinderung ganz normale Berufe ausüben können. Natürlich gibt es für uns Nachteile, doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.”
Marc Kiefer, Sportdirektor des Luxembourg Paralympic Committee (LPC) erklärt dass die Schwierigkeit in der Organisation des sportartspezifischen Trainings von Katrins Sportart Rennrollstuhlschnellfahren darin besteht, dass derzeit noch kein Trainerpersonal und auch keine Trainingsgruppe für diese Disziplin in Luxemburg existiert. Eine Eingliederung in einen Regelsportverein des Leichtathletikverbandes sei bislang nicht gelungen. Den Sport für die Zukunft fit zu machen sei ebenfalls noch in den Startlöchern: “Das Angebot reicht von Schwimmen über Rollstuhltanzen, Tischtennis, Leichtathletik, Rollstuhlbasketball, Boccia, Triathlon bis hin zu Handbiking und Fußball für Menschen mit Koordinationsschwierigkeiten. Derzeit haben wir sehr wenige Nachwuchsathleten, sodass wir in Zukunft insbesondere den Fokus darauf legen müssen, junge Menschen für den paralympischen Sport zu begeistern. Dazu bedarf es Projekttage in Schulen und Talentsichtungsveranstaltungen, an denen die paralympischen Sportarten spielerisch präsentiert werden”, so Marc Kiefer.
Trotzdem ist der Sportdirektor weiter optimistisch. Auf die Frage hin ob das Großherzogtum in Zukunft einmal einen paralympischen Weltmeister haben könnte, sagt er: “Ja durchaus. Wir haben mit Tom Habscheid derzeit einen paralympischen Top-Athleten, der vor kurzem mit zwei Silbermedaillen von den Europameisterschaften der Para-Leichathleten in Berlin zurückgekehrt ist. Mit der nötigen Förderung und einer inklusiven Gesellschaft wäre vieles möglich.
Wer mehr über das Luxembourg Paralympic Committee erfahren möchte, kann dies auf der Internetseite www.paralympics.lu tun.