Eine Facebook-Regulierung die keiner braucht

Der frühe Facebook-Investor Roger McNamee fordert in einem Artikel in der britischen Tageszeitung „The Guardian“, dass Social-Media-Unternehmen genauso reguliert werden sollten wie Tabak und Alkohol. Die Begründung für ein solches Vorgehen sei die Suchtgefahr und der Einfluss von Plattformen wie Facebook auf den öffentlichen Diskurs und die Demokratie. Aber sind diese Ängste gerechtfertigt?

Oder ist McNamee Opfer von technologischer Panik geworden? Jede neue Entwicklung des menschlichen Fortschritts, sei es für praktische Zwecke oder für die der Unterhaltung, ging immer einher mit lautstarken Kritikern. Im 19. Jahrhundert wurden Tabak, Alkohol, Kaffee und Tee als so schädlich angesehen, dass sie von der Allgemeinbevölkerung, insbesondere Frauen, ferngehalten werden mussten. Die Gesundheitswissenschaftlerin Ruth C. Engs schreibt: „Männer wurden als durch Alkohol und Tabak geschwächt betrachtet und es wurde angenommen, dass Frauen durch Kaffee und Tee verletzt würden.“

Diese Clean-Living-Aktivisten drängten auf eine strenge Regulierung, die schließlich im 20. Jahrhundert zum Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten führte. Gemessen an rein öffentlichen Gesundheitsbedingungen war dieses Verbot ein Fehlschlag. Bei einer umfassenderen Sichtweise, die die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Schwarzmarkts für Alkohol einschließt, war es eine vollkommene Katastrophe: Kriminelle wie Al Capone bereicherten sich an dem Verkauf von gepanschtem Alkohol.

Puritanismus hat sich selten als gute Politik herausgestellt. Lehre daraus sollte sein, einen wissenschaftlich basierten Ansatz zu verfolgen und Menschen wie Erwachsene zu behandeln. Was ist die wissenschaftliche Faktenlage bei Social Media? Das Facebook-Sucht-Argument ist wissenschaftlicher Natur, das aber an sich noch lange nicht geklärt ist. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt es nicht nur große Uneinigkeitdarüber, ob die Suchtskala für neue Medien überhaupt relevant ist oder nicht. Selbst führende Verhaltensforscher stellen die Rede von der „Facebook-Sucht“ infrage.

Mark Griffiths, Professor für Verhaltens- und Suchtforschung an der Nottingham Trent University, argumentiert, es gebe Unterschiede zwischen den Süchten im Internet und Internetsucht. Er erklärt, dass Facebook von Spielen bis zu Messaging eine breite Palette von Anwendungen bietet. Das bedeutet, dass es unglaublich schwierig ist, die „Nutzung“ von Social Media genau zu definieren. „Dies deutet darauf hin, dass das Feld eine psychometrisch validierte Skala benötigt, die speziell die soziale Netzwerkabhängigkeit und nicht Facebook-Nutzung bewertet.“ Dies ist meilenweit entfernt von Roger McNamees Vorschlag, „dass wir diese Herausforderungen als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit anerkennen und angehen müssen“.

Neben der unwissenschaftlichen Art und Weise, wie „Facebook-Sucht“ diskutiert wird, sollte der Vergleich mit Alkohol und Tabak den Leser dazu bringen, sich zu fragen, was genau die richtige Verordnung sein soll. Sollen wir Facebook so stark besteuern, dass es für Geringverdiener zu einem teuren Luxus wird?

Regulierungsreformen haben marginale Folgen

Wie bei Tabak und Alkohol können Besteuerung oder direkte Verbote leicht zu Schwarzmarktentwicklungen führen, die unbeabsichtigte Folgen haben. Man braucht keine besonders lebhafte Vorstellungskraft, um darüber zu spekulieren, was mit sozialen Medien passieren könnte, wenn sie in weit dunklere Ecken des Internets geschoben werden.

Die Fortschritte bei Alkohol und Tabak sind überwiegend der Sensibilisierung für die verbundenen Gesundheitsgefahren geschuldet. Regulierungsreformen haben im Allgemeinen nur marginale Auswirkungen; während legale Verkäufe fallen, steigt der Schwarzmarktumsatz. Gleiches gilt für Facebook: Wir können und wir sollten die Menschen über die Risiken informieren, zu viel Zeit mit sozialen Medien zu verbringen.

Wir sollten einen wissenschaftlich fundierten Ansatz in Bezug auf Warnungen vor übermäßiger Nutzung von Internetplattformen verfolgen und mehr Forschung auf diesem Gebiet fördern. Sich für eine stringente Regulierung der sozialen Medien einzusetzen, ohne schlüssige Beweise zur „Sucht“ zu haben, ist jedoch ein gefährlich emotionaler Weg, mit Politik umzugehen.


Dieser Artikel wurde in Die Welt veröffentlicht.

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About Bill Wirtz

My name is Bill, I'm from Luxembourg and I write about the virtues of a free society. I favour individual and economic freedom and I believe in the capabilities people can develop when they have to take their own responsibilities.

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